Ein Sitzkreis, in welchem die Stühle in einem ausreichenden, der Krise geschuldeten Abstand zueinander aufgestellt wurden. Der Raum ist mit dunklem Holz vertäfelt. Menschen sitzen hier, die scheinbar keinerlei Gemeinsamkeit aufweisen. Eine Frau steht auf, lächelt und setzt ihre Maske auf. Sie geht auf einen ergrauten Mann zu. Es ist schwer zu schätzen, wie alt er ist. Die Frau reicht ihm einen Stein. Der Mann fragt sich, ob er desinfiziert wurde. Dann nimmt er ihn, seufzt leise und murmelt dann:
„Also gut…“
Er reckt das Kinn und spricht mit deutlicher Stimme in die Runde:
„Hallo zusammen, mein Name ist Holger und …“, er hält kurz inne, zögernd, sich dann überwindend, als ob er einen Schmerz ertragen müsste, „ich schreibe.“
Die Anwesenden schauen ihn betroffen an, nicken wissend. Der Ergraute fährt fort:
„Es fing im späten Jugendalter an, an der Schwelle zum Erwachsensein, als es darum ging, sich auf die eigenen Beine zu stellen. Mein Umfeld reagierte befremdet, als ich es bevorzugte zu lesen, zu studieren und zu schreiben, anstatt einer ‚richtigen, ehrlichen Arbeit‘, wie sie es nannten, nachzugehen. Gern hätte ich dem entsprochen. Aber es funktionierte nicht. Gedichte entstanden, kurze Geschichten, ich vertiefte mich in erzählte Welten. Ich versuchte aufzuhören, lenkte mich mit Sport ab, mit viel Sport. Und zeitweise schien es, als ob ich aufhören könnte. So brachte ich einige Jahre kaum etwas zu Papier. – Aber wir wissen ja alle, dass man nicht einfach aufhören kann, wenn man einmal damit begonnen hat, oder?“
Der Mann erntet Zustimmung in Form mitfühlender Blicke.
„Etwas fehlt im Leben, wenn ich nicht schreibe. Schreiben ist für mich die beste Möglichkeit, mich auszudrücken. Mir die Welt zu erklären. Dies verbunden mit der eitlen Hoffnung, ein paar Gedanken, die ich hervorbrachte, mögen meinen Tod etwas überdauern. Dies wurde mir vor einigen Jahren klar, als ich einer Operation entgegensah. Ich fragte mich, was von mir bliebe, falls ich nicht mehr aufwachte. Seither schreibe ich und habe mich damit abgefunden. Es ist anstrengend und erfüllt meine Freizeit mit Arbeit, aber ich kann und will es nicht anders.“
Der Ergraute steht auf und gibt der Frau den Stein zurück.
„Vielen Dank“, sagt sie freundlich, sichtbar mitfühlend, und blickt aufmunternd in die Runde. „Wer möchte jetzt?“
(c) H. Vos
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